Sommerakademie 2025
Beschreibungen der Workshops am Do/Fr
Workshop 1 (E)
Raum schaffen zwischen realem und symbolischem Weißsein und Schwarzsein
Der Umgang mit dem Anderen entlang unserer Angst vor dem Unterschied
Samantha E. Adams
‚Symbolismus – eine künstlerische und poetische Bewegung oder ein Stil, der symbolische Bilder und indirekte Andeutungen verwendet, um mystische Ideen, Gefühle und Geisteszustände auszudrücken‘
Es scheint mir ein positiver und schöner Aspekt der menschlichen Natur zu sein, dass wir meist von Natur aus neugierig auf die Unterschiede sind, denen wir bei anderen und in der Welt um uns herum begegnen. Die Angst vor dem Unterschied könnte als das notwendige Gegenteil dieser uns angeborenen Neugier betrachten werden, oder zumindest als Überlebensinstinkt oder -mechanismus. Wie können wir in einer Welt der Polarität, des binären Denkens und des Extremismus aktiv den Umgang mit Unterschieden und Nuancen üben? Wie können wir in unserem Anderssein menschlich bleiben? Vielleicht, indem wir unsere angeborene menschliche Kreativität als erste Medizin, als erste universelle Sprache und als rituelle Begegnung mit den Tiefen der kollektiven menschlichen Psyche nutzen.
Dieser Workshop wird uns die Möglichkeit geben, einander in unserer Unterschiedlichkeit in einem ‚Zwischen‘-Raum zu begegnen. Nach der persönlichen Erkundung werden wir Wege erforschen, einen Teil der gemachten Erfahrungen in die Welt hinauszuschicken, um Wachstum zu fördern, Mutter Erde und die Natur der Menschheit zu nähren.
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Workshop 2 (E)
‘Zorg goed voor jezelf’
Theatertherapie und Embodied Performance als Selbstfürsorge in Zeiten der Krise
Dr. Ditty Dokter
Die niederländische Redewendung im Titel – ‘Sorg gut für dich selbst’ – ist eine Ermahnung, die viele von uns im Laufe ihres Lebens als Therapeut*innen hören. Das ist in Zeiten persönlicher, beruflicher und weltweiter Krisen manchmal leichter gesagt als getan. Persönliche Lebenskrisen passieren auch Therapeut*innen, wie gehen wir mit ihnen um? In der Arbeit kann das Material unserer Klient*innen mit unserem eigenen interagieren, was das Risiko einer stellvertretenden Traumatisierung und eines Burn-outs erhöht – wie erkennen wir dies? Wie kümmern wir uns um uns selbst – mithilfe unserer dramatischen Medien?
Dieser Workshop wird Aspekte unserer intersektionalen Identitäten erforschen und der Frage nachgehen wie diese mit denen unserer Klient*innen interagieren können. Wir werden verschiedene theatertherapeutische Techniken nutzen, um uns mit externer und internalisierter Unterdrückung auseinanderzusetzen. Wir werden uns gegenseitig dabei unterstützen, Anzeichen von stellvertretender Traumatisierung zu erkennen und erkunden, wie Spiel, Improvisation und verkörpertes Spiel Prozesse von Agency und Zeugenschaft unterstützen können.
Es werden einige Beispiele autobiografischer Performances von Theatertherapeut*innen gezeigt, und die Teilnehmenden werden ermutigt, sich über die Werkzeuge zur Selbstfürsorge auszutauschen, die sie in ihrer Praxis entwickelt haben. Wir werden den Einfluss von Organisationsstrukturen sowie breiteren Quellen der Unterstützung bei der Identifizierung unserer professionellen Selbstfürsorgestrategien einbeziehen.
Am Ende des Workshops werden die Teilnehmenden hoffentlich ein besseres Gefühl für ihre Stärken und Schwächen entwickelt haben und so nah wie möglich an einem ‚Toolkit‘ zur Selbstfürsorge sein.
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Workshop 3 (D)
Dem Gemeinsinn zuspielen:
Der sechste, soziale Sinn
Astrid Habiba Kreszmeier und Hans-Peter Hufenus
In Zeiten von Kriegen und Krisen, in denen Spaltung, Unmut, Misstrauen und Bedrohung nicht nur private Räume, sondern auch politische Institutionen erschüttern, sind gelebte Erfahrungen von Gemeinsinn, Verantwortung und von Zuversicht ins Menschsein bitter nötig. Dabei geht es nicht um blindes Hoffen oder moralische Überforderung. Es geht um Haltungen und Handlungen, die in schwierigen Freund/Feind Dynamiken auch dem Gemeinsamem Chance geben. So wie wohl jeder therapeutische Prozess Individuen oder Gruppen dabei unterstützt, mit sich selbst ein gutes Zusammenleben zu finden, so können von hier auch Beiträge in weitere soziale Verbände geschehen.
„Was heute in der geschützten Therapie möglich ist, könnte auch im praktischen Alltag wirkungsvoll sein, um Beziehungen zwischen Individuen und Gruppen neu auszurichten.“*
Wir freuen uns auf die Reisegemeinschaft, die sich einfinden wird und laden in diesem Workshop dazu ein, Geschichte und Geschichten des Gemeinsinns zu erforschen. Dazu reisen wir weit in der Zeit, hinein in Erd- und Menschgeschichte und bis ins heute. Sinnlich, körperlich, erzählend wollen wir dem sechsten, sozialen Sinn auf die Spur kommen. In Naturerfahrung, Aufstellungsformen und Mythodrama schürfen wir nach dieser Kraft, die zwischen Menschen wirkt und darüber hinaus zwischen Mensch und Welt.
* Assmann, Aleida und Jan 2024. Gemeinsinn: Der sechste, soziale Sinn. München: C. H. Beck, S 126.
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Workshop 4 (D)
wahrnehmen – ins-Herz-nehmen – loslassen – danken (wi♥ld)
Verbindung mit dem inneren Wissen
Dr. Simone Klees
Im therapeutischen Lernen und Arbeiten ist es grundlegend, die eigenen Ressourcen zu kennen. Im Alltäglichen verlieren wir leicht aus den Augen, dass wir als lebendige Wesen in der Natur verwurzelt sind. Hier finden wir unsere Quellen sowie Möglichkeiten zu wachsen
und Erfahrungen zu transformieren.
wi♥ld ist eine Vorgehensweise zur Verarbeitung von Gefühlen und Eindrücken. Nach einem festgelegten Ablauf gehen wir im ersten Schritt in die Wahrnehmung und nehmen Kontakt zu unserem Körper und inneren Themen auf. Die weiteren Schritte dienen der Verarbeitung und
dem Loslassen. Wir nutzen dabei Bewegung, Verkörperung der vier Elemente, szenische Zugänge, theatertherapeutische Aufstellungs- sowie Ritualarbeit, um uns tief zu verwurzeln.
Wie jedes Lebewesen, haben wir als Mensch auch Aufgaben im komplexen Zusammenspiel der Natur. Innehalten und Spielfreude leiten zu unserem inneren Wissen, das uns im therapeutischen Arbeiten als lebendige Wesen stärkt und notwendige Transformationsprozesse ermöglicht.
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Workshop 5 (E / D)
Klimawandel und psychische Gesundheit
Wie können wir durch Theatertherapie und Ritual Gemeinschaft stärken und eine kollektive Resilienz schaffen?
Dr. Susana Pendzik, Ingrid Lutz
Eine der größten Herausforderungen, vor denen Menschheit und Natur – und damit das Leben selbst – derzeit stehen, ist der Klimawandel. Dieses Phänomen bedroht die menschliche Existenz, wie wir sie kennen, und wird auch mit einer Zunahme von psychischen Erkrankungen in Verbindung gebracht. Die psychischen Auswirkungen des Klimawandels äußern sich sowohl bei Einzelpersonen als auch kollektiv durch eine Vielzahl von Symptomen wie erhöhter Stress, Angst, Trauer, Depression, Verstärkung von Traumafolgesymptomen, Suizidalität und andere Formen psychischer Belastung.
Dieser Workshop erforscht, wie wir mit theatertherapeutischen Interventionen den psychischen Herausforderungen angesichts der Bedrohung durch den Klimawandel begegnen und in Verbindung mit unseren Gefühlen kommen können. Unser Ansatz ist vor allem, mit rituellen Formen und anderen theatertherapeutischen Verfahren eine achtsame Wahrnehmung und Bewusstheit für die uns umgebende Natur und unsere inneren Prozesse in Bezug auf diese zu entwickeln. Wie viele andere Wissenschaftler*innen auf diesem Gebiet glauben wir, dass Rituale seit jeher dazu da waren, Menschen in herausfordernden Situationen und existenziellen Krisen zu helfen, den dadurch hervorgerufenen emotionalen Aufruhr zu bewältigen, indem sie das Gefühl von Sicherheit und Handlungsfähigkeit in der Gemeinschaft schaffen. So kann eine kollektive Resilienz gestärkt werden. Diese Gemeinschaftsbildung und kollektive Identität ist im Umgang mit dem Klimawandel von größter Bedeutung, denn als Individuum stehen wir dieser Krise ohnmächtig gegenüber – nur durch eine in einem Gemeinschaftsgefühl verankerten kollektive Reaktion ist es möglich, ihr wirksam zu begegnen.
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Workshop 6 (E)
Theater mit ehemaligen Kämpfenden und Opfern bewaffneter Konflikte
Die Initiative ‚Theatre for Reconciliation‘ in Kolumbien
Dr. Angelo Miramonti
‚Theatre for Reconciliation‘ („Theater für Versöhnung“) ist eine in Kolumbien durchgeführte Initiative für praxisbasierte Forschung. Das Projekt zielt darauf ab, kreative Methoden zu erproben und zu systematisieren, um den Dialog zwischen ehemaligen Kämpfenden und Opfern bewaffneter Konflikte sowie zwischen den direkt von Konflikten Betroffenen und der restlichen Gesellschaft zu fördern.
Der Fokus des Workshops wird darauf liegen, einige dieser Techniken zu erleben und diese Erfahrungen zu reflektieren. Wir werden mit Adaptionen aus dem Theater der Unterdrückten, der autobiografischen therapeutischen Performance, dem Tanztheater und dem mythopoetischen/rituellen Theater arbeiten, um unseren Wunden zu begegnen, uns mit unseren Gaben zu verbinden und uns mit uns selbst, Anderen und der Natur zu versöhnen.
Im Einzelnen werden wir an folgenden Themen arbeiten:
- Nonverbales Zuhören von mir selbst und dem Anderen Mir selbst und dem Gegenüber nonverbal zuhören
- Enemifizierung: wie wir den ‚Feind‘ konstruieren und dekonstruieren (als Einzelne und als Gruppe)
- Fühlen und denken, wie mein ‚Feind‘ fühlt und denkt (Verkörperung des ‚Feindes‘)
- Einsatz von Theater als Teil von Systemen der wiederherstellenden Justiz (z. B. die Wahrheitskommission in Kolumbien)
- Aufbau der Koexistenz mit der Natur in Postkonflikt-Situationen: Theater für ökosystemische Gerechtigkeit
- Zeugnisse der Arbeit mit ehemaligen Kämpfenden und Opfern des kolumbianischen Konflikts
- Wie können diese Ansätze für die Arbeit in anderen Konfliktsituationen (nicht bewaffneten Konflikten) genutzt werden?
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Workshop 7 (E)
Trennungen überbrücken
Erforschung von Identität und Konflikt durch Theatertherapie
Dr. Amani Musa
Im Kontext globaler Konflikte erfordert die Förderung von gegenseitigem Verständnis und Einigkeit Ansätze, die die Vielfalt würdigen, ohne eine Vereinheitlichung zu erzwingen. Dieser Workshop erforscht die Rolle der Theatertherapie als transformatives Instrument zur Überbrückung kultureller Gräben, indem ein Raum für individuelle und kollektive Prozesse geschaffen wird. Die Teilnehmenden werden an Übungen teilnehmen, die ihnen helfen sollen, persönliche Identitäten zu erforschen und Konflikte zu bewältigen, denen sie im Alltag und im beruflichen Umfeld begegnen. Indem sie ihre persönliche Identität bewahren und gleichzeitig versuchen, diejenigen zu verstehen, die den ‚Anderen‘ repräsentieren, können sie sich Zugang zu den ‚Grauzonen‘ der Interaktion verschaffen – Räume, in denen der Dialog die Trennung ersetzt. Die Wahrnehmung dieser nuancierten Räume und die Auseinandersetzung damit bieten Wege aus dem Konflikt und in eine tiefere Verbindung.
Auf Grundlage von Robert Landys Rollentheorie betont dieser Workshop die Rolle der/s Therapeut*in als „Guide“ bei der schrittweisen Überbrückung von Rollen und Gegenrollen durch theatralischen Ausdruck. Dieser Ansatz fördert die kulturelle Sensibilität und gibt Theatertherapeut*innen Werkzeuge an die Hand, um interkulturelle Interaktionen effektiv zu begleiten.
Es werden Techniken des Playback-Theaters und des Theaters der Unterdrückten angewandt, die beide wirksame Werkzeuge zur Vertiefung des Verständnisses der betreffenden Probleme bieten. Diese Methoden fördern eine aktive Teilnahme, Empathie und Reflexion und kreieren einen dynamischen Raum für die Erforschung persönlicher und kollektiver Erfahrungen im Zusammenhang mit Konflikten und kulturellem Verständnis.
Die Theatertherapie schafft durch Metaphern und den indirekten ästhetischen Raum eine sichere Umgebung, in der Unterschiede ohne direkte Konfrontation erforscht werden können. Dieser kreative und spielerische Rahmen ermöglicht es Teilnehmenden, ihre Erfahrungen zu verarbeiten, sich auszudrücken und ein interkulturelles Verständnis aufzubauen, das über den Konflikt hinausgeht. Dieser Workshop lädt die Teilnehmenden ein, das dynamische Potenzial der Theatertherapie zu nutzen als Medium für Dialog, Heilung und Einheit in einer geteilten Welt.
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Workshop 8 (D)
Die menschliche Stimme in der versehrten Welt
Dr. Ralf Peters
Wie in vielen anderen Bereichen müssen wir uns auch in der künstlerischen Arbeit mit der Stimme die Frage stellen, ob und wie wir auf die ökologischen Krisen unserer Zeit reagieren können. Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass die menschliche Stimme in Aktion immer schon mit den „drei Ökologien“ (Felix Guattari) in Verbindung steht: dem Ich, den anderen und der mehr als menschlichen Welt. Deshalb ist der Weg über Stimme und Gehör für die Entwicklung eines neuen und weniger zerstörerischen Verhältnisses zur Welt sehr vielversprechend. In der Recherche „vocal ecotism – Stimmkunst in der versehrten Welt“ wurden dazu erste Ansätze entwickelt, die in dem Seminar vorgestellt werden. Dabei geht es zuerst um eine „Stimmliche Elementenlehre“, bei der wir über die Arbeit mit den vier Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer eine neue Art von Bezugssystem zwischen Welt, Ich und Stimme suchen.
Wenn wir in der stimmlichen Praxis die Verwandtschaft zwischen Menschen und allem anderen in der Welt aufsuchen und zugleich Wege erkunden, mit allen anderen Wesen und Dingen in Kontakt zu kommen, wird uns nicht erspart bleiben, die Versehrtheit der Welt als etwas wahrzunehmen, das in uns selbst zu finden ist. Die versehrte Welt umfasst die menschliche Innenwelt. Über die Befragung der eigenen Stimme durch eine intensive Einzelarbeit werden wir in dem Seminar auch diesen Aspekt zum klanglichen Vorschein kommen lassen. In der Begegnung mit der eigenen Stimme schaffen wir eine Verbindung zu uns selbst und gleichzeitig zur Welt, zu der wir gehören.
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Donnerstag Abend
Online-Seminar (D)
Diversitätssensible und machtkritische Therapie: Eine Einführung in die Intersektionalität
Dr. med. Amma Yeboah
Diskriminierende Handlungen in der therapeutischen Begleitung finden häufig unbewusst und ohne Absicht statt. Bei dieser Veranstaltung werden am Beispiel Sexismus und Rassismus die strukturellen, kulturellen, interpersonellen und individuellen Dominanz-Praktiken unserer Gesundheitsversorgung fokussiert. Die wechselseitige Abhängigkeit unterschiedlicher Diskriminierungsformen mit sozialen Machtverhältnissen wird mit dem Analyseinstrument Intersektionalität präsentiert und diskutiert. Intersektionalität beinhaltet analytische und praktische Methoden, um die Komplexität der sozialen Gegebenheiten in einer globalisierten Welt, Gesellschaftsstrukturen, der Erlebnisrealität einzelner Subjekte, sowie menschlicher Identitäten zu verstehen. Ziel der intersektionalen Praxis ist soziale Gerechtigkeit.
Teilnehmende werden bei der Veranstaltung eingeladen, sich für die gesellschaftlichen Herrschaftsstrukturen und multiplen Diskriminierungspraktiken im Alltag zu sensibilisieren, sowie Wege einer diversitätssensiblen und machtkritischen Praxis zu erforschen.
Dr. Amma Yeboah leitet dieses Seminar ehrenamtlich und spendet ihre Einnahmen an die Theodor-Wonja-Michael Bibliothek (Black Library NRW) in Köln.
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Samstag
Kollektive Intervention (D / E)
Klimawandel und die Not-wendigkeit, gemeinschaftsbildende und auf kollektive Resilienz ausgerichtete Ansätze zu entwickeln als Basis für ein therapeutisches Handeln, das den Herausforderungen unserer Zeit wirksam begegnen kann
Susana Pendzik und Ingrid Lutz
In dieser Stunde werden wir gemeinsam ein Großgruppenritual entwickeln, das u.a. in Mexiko und Israel erprobt wurde.
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Hinweis:
Manche Workshops werden auf Englisch gehalten, manche auf Deutsch, sie sind entsprechend gekennzeichnet (E) / (D), es gibt aber in jedem Workshop Teilnehmer*innen, die bei Bedarf ein wenig übersetzend unterstützen können (fürs Verständnis und damit alle, die möchten, sich selbst auf Deutsch ausdrücken können).
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Graphic Recording
Die Tagung wird von Johanna Benz und ihrem wandernden Graphic Recording Labor begleitet.
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